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Der Schwarz-Weiß Film "Mein Schulfreund" (1960) ist eine tragische Komödie mit Heinz Rühmann & Hertha Feiler unter der Regie von Robert Siodmak. Er basiert dem Bühnenstück "Der Schulfreund" (1958) von Johannes Mario Simmel.
Der Film erzählt die Geschichte des Briefträger Ludwig Fuchs, der nach dem Kriege darum kämpft, dass ihm der "Jagdschein", den ihm sein ehemaliger Schulfreund Hermann Göring verschafft hatte, wieder abgenommen wird.

Handlung

Der Briefträger Ludwig Fuchs muss 1944 in München mit ansehen, wie der Freund seiner Tochter bei einem Luftangriff ums Leben kommt.
Daraufhin verfasst er einen Brief an Hermann Göring, einen Schulfreund, in dem er ihn bittet, diesen sinnlosen und verlorenen Krieg zu beenden. Der Brief wird von Hauptmann Sander und Hauptmann Kühn im Vorzimmer des Luftwaffenministers geöffnet und Ludwig wird als "politisch" Verdächtiger verhaftet.
Er wird zu einem Psychiater geschickt und obwohl Professor Strohbach ihn als völlig gesund einstuft, wird Ludwig auf Görings Wunsch hin für verrückt erklärt (ugs. "Jagdschein"), da dies die einzige Möglichkeit sei, ihn vor der Hinrichtung zu retten. Strohbach stellt daraufhin eine falsche Diagnose, woraufhin sein untergeordneter Kollege Dr. Lerch eine offizielle Beschwerde gegen Strohbach einreicht. Als psychisch kranker Mann darf Ludwig nicht mehr als Briefträger arbeiten.

Als der Krieg vorbei ist, will Ludwig die Fehldiagnose, die ihn für verrückt erklärt, brechen, um an seine Arbeit zurückzukehren. Ein neuer Bericht scheitert, weil der unerfahrene Psychiater es nicht wagt, die Diagnose von Professor Strohbach, der immer noch eine Eminenz ist, in Frage zu stellen. Ludwig braucht nun einen Zeugen, der damals in den Fall verwickelt war.
Da Göring tot ist, bleibt nur noch Strohbach übrig, der sich in der amerikanischen Besatzungszone aufhält. Er wird zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, weil er von Dr. Lerch zahlreiche Anträge auf Sterilisation von Geisteskranken erhalten hatte, die er unterschreiben sollte. Er weigert sich, im Fall Ludwig auszusagen, weil er jede Erklärung unterschreiben muss, aber aufgrund seiner Erfahrung will er dies nicht mehr tun.

Weitere Jahre vergehen und Dr. Lerch kehrt aus einer langen sowjetischen Gefangenschaft nach Deutschland zurück und verweigert die Aussage. Damit erhebt er sich gegen Professor Strohbach, der ihn einige Jahre zuvor zur Strafe an die Ostfront verlegt hatte. Die anschließende Kriegsgefangenschaft hat ihn zu einem Krüppel gemacht, sodass er keinen Grund mehr sieht, die Sache, für die er so viel büßen sollte, zu widerrufen. Hauptmann Sander, der damals Görings Interventionsbrief überbrachte und die tatsächliche Situation kennt, würde Ludwig gerne helfen, stirbt aber kurz vor seiner Aussage plötzlich.

Im Jahre 1958 ist Ludwig dem Selbstmord nahe, weil selbst Sanders Kollege Kühn ihm nicht helfen will, denn obwohl er die Wahrheit kennt, will er seine eigene Position nicht gefährden, die dazu führen würde, dass seine hohe Stellung im Machtapparat der Nazis in Frage gestellt wird. Er behauptet, nichts über Ludwigs Fall zu wissen. Diesem wird eine Reise nach Nordamerika mit seiner Tochter verweigert, da das Land keine Personen mit psychischen Störungen einreisen lässt.

Schließlich findet Ludwigs Anwalt die Lösung. Sein Mandant dreht in einem Postamt durch, verschüttet Tinte und zerstört Fensterscheiben. Er wird festgenommen und erneut untersucht, nachdem der Anwalt das Attest von 1944 vorgelegt hat. Die Untersuchung ergibt, dass er geistig völlig gesund ist. Die Post zahlt ihm die seit 1944 entgangenen Gehälter aus. Es gibt jedoch ein Problem, da Ludwig seine Tochter in Amerika nicht besuchen kann, da er nun vorbestraft ist und kein Visum mehr erhält.

Hintergrund

Als jemand, der „einen Jagdschein hat“, wird umgangssprachlich eine Person bezeichnet, die aufgrund von bescheinigter Unzurechnungsfähigkeit einen (imaginären) Freibrief besitzt. Die Redewendung rührt daher, dass der Inhaber eines Jagdscheins in seinem Revier Jagd auf Wild machen darf, während dies anderen bei Strafe verboten ist, und eine unzurechnungsfähige Person analog dazu einen (imaginären) Freibrief hat, der es ihr erlaubt, straflos für andere verbotene Dinge zu tun.

Drehort

Gedreht wurde von Januar bis Februar 1960 in den Bavaria Ateliers in München-Geiselgasteig. Die Kulissen des Films wurden von Gottfried Will und Rolf Zehetbauer entworfen.

Kritik

Diese Mischung aus Komödie, Satire und Tragödie hätte leicht zu einem unbehaglichen Film führen können. Aber Robert Siodmak (seit 1939 im Exil in Hollywood; z.B. "Die Wendeltreppe" (1946) und "Rächer der Unterwelt" (1946)) hat eine sehr straffe Regieführung und schafft damit die richtige Balance zwischen den Elementen; es gibt auch einige typische Siodmak-Markenzeichen wie die Betonung des Treppenhauses.

Unterstützt wird der Regisseur durch ein sehr gutes und intelligentes Drehbuch, in dem die Elemente der deutschen Nazi-Vergangenheit, Zivilcourage und Feigheit (der meisten ehemaligen Nazis) mit dem Wohlstand des westdeutschen Wirtschaftswunders und der Bürokratie zu einer perfekten Einheit zusammengeführt werden, ohne dabei zu vergessen, den Charakteren eine gute psychologische Grundlage zu geben.

Der Film lebt von den Bildern, weniger von ausgeprägten Monologen oder Dialogen. Insbesondere zeichnet er sich durch die Charakterisierung der Menschen während und nach dem Dritten Reich: dem Blockwart; den Mitläufern; den ewig Treuen; den Sexualverbrechern, die mit den politischen Verbrechern nichts zu tun haben wollen; die Beamten der Postbehörde, für die die Vorschriften Gesetz, aber der Mensch wenig zählt, usw.

Viel direkter als andere Filme von Rühmann zeigt er mit dem Finger auf das Publikum, was diesem viel unangenehmer ist als eine Eugenspiegelei der Vergangenheit. Es gibt kein Happy End und keine Fröhlichkeit, in die die Moral eingewickelt werden kann. Die Geschichte hinterlässt eine Reihe von Menschen, von denen jeder selber mit seinem Schicksal fertig werden muss.

Film

Stab

Besetzung

Eine Liste der Darsteller / Schauspieler / Rollen aus dem Film "Mein Schulfreund":

 


 

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